Plattentipps
Jeden Monat neu – die persönlichen Highlights von Markus, Tom und Holger. Holger empfiehlt
CURTIS HARDING - Departures & Adventures: Adventures Of Captain Curt
Mit seinem neuen Album „Departures & Arrivals: Adventures Of Captain Curt“ ist Curtis Harding etwas gelungen, was nicht viele Künstler von sich behaupten können. Diese Veröffentlichung ist schon das vierte Album und keines dieser Alben hat qualitative Aussetzer und das ist schon sehr außergewöhnlich! Mr. Harding vermischt auf „Departures & Arrivals“ knackige, nach vorne gehende Retro-Soul-Nummern mit opulent arrangierten Titeln, die mit ihren Streicher-Arrangements aber nie überfrachtet oder gar schnulzig sind. Das ist die Kunst von Harding, diese feinen Arrangement so leicht und locker daher kommen zu lassen, dass man beim Zuhören jede Sekunde davon gepackt wird und eine Reise durch den modernen Soul antritt- wundervoll! Die tolle Aufnahme des Albums, das als CD, als schwarzes Vinyl und als weißes limitiertes Vinyl zu haben ist, rundet das Hörerlebnis noch einmal ab. So möchte man gerne die Abenteuer von Captain Curt immer und immer wieder anhören.
Markus empfiehlt
MOSES YOOFEE TRIO - M.Y.T.
Dies ist für mich bisher das Jazzalbum des Jahres. Schon lange gab es das nicht mehr – die perfekte Mischung aus Groove, Virtuosität, Spielfreude und grenzenlose Lust am Abenteuer. Das Ganze kommt dann mit riesigem Spaß in den Backen daher, ohne verkopfte Sinnsuche oder dahinplätschernde Banalität. Das Moses Yoofee Trio hat mit MYT gezeigt, dass die Berliner Jazz-Szene durchaus mit der brillanten Londoner Szene mithalten kann, denn MYT ist ein urbanes globales Album, das zeigt, dass sich der Jazz, wie kein anderes Genre, immer und immer wieder weiterentwickelt und dabei alles aufsaugt, was künstlerisch so in der Welt passiert. Da sind die cleveren Hip-Hop Einflüsse à la Little Simz zu hören („Green Light“) oder die wahnwitzigen Arrangements, die man von Robert Glasper kennt („Till Tomorrow“) und bei „Deep“ trägt der Postpunk-Beat das Sopransaxophon-Solo. Moses Yofee (Keys), Roman Klobe (Bass) und Noah Fürbringer (Drums) fingen während der Pandemie an zu jammen und konnten nicht mehr aufhören, so sagen sie. Und in der Tat, sie klingen derart symbiotisch und fein abgestimmt. Das Album saugt einen ein und lässt einen dann nicht mehr los – Große Kunst!
Tom empfiehlt
KERALA DUST - An Echo Of Love
Bei manchen Bands ist es verwunderlich, fast fragwürdig, warum ihnen der große Durchbruch trotz toller Alben bisher versagt blieb. Ein Beispiel dafür ist die englische Band Kerala Dust. Obwohl die Band einen Katalog voller guter, von der Kritik hoch gelobter Alben für sich verschreiben kann, ist die breite Öffentlichkeit der Existenz dieser Band und ihrer stimmungsvollen Musik leider nicht bewusst. Auch für mich brauchte es das aktuelle Album um auf diese Kerala Dust aufmerksam zu werden und ich bin dankbar für diese tolle Entdeckung. Leonard Cohen singt in seinem Song „Anthem“ die Textzeile „There is a crack in everything ...that's how the light gets in“ Kleine Fehler und Brüche in der Perfektion sind nicht nur etwas, das man hinnehmen muss, sondern unabdingbare Voraussetzungen für Empathie und Verständnis. Es ermutigt uns Möglichkeiten in verletzten zwischenmenschlichen Erfahrungen zu finden. Schon „How the light gets in“, der zweite Song auf „An Echo Of Love“, trägt dieses Zitat nicht nur im Titel, sondern atmet auch seinen Geist. Nicht nur inhaltlich, sondern auch musikalisch. Aber auch über Cohen hinaus, ziehen sich Zugneigungsbekundungen an musikalische und poetische Ahnen durch das Album wie feine Haarrisse, durch die gelegentlich Licht einfällt. Ob das Reminiszenzen an Lou Reed sind oder stilistische und klang-ästhetische Parallelen zu Bands wie Warhaus, Balthazar oder The National die an den (vernebelten) Tag gelegt werden. Die Band beschreibt ihre neue LP als Mischung aus „Art Rock, Electronica und Americana“, bei der sie sich nicht auf ein bestimmtes Genre konzentrieren, sondern ihre sich entwickelnde Klangwelt wiedergeben will. Ich sage „An Echo Of Love“ ist wie ein trockener, sanfter, vollmundiger Rotwein, deren wahre Tiefe sich erst nach dem zweiten, dritten Schluck erschließt.